Der Unterschied hätte nicht größer sein können. Hier der überschaubare Quellteich, den man mit einem Beobachtungsfloß befahren kann und wo sich Menschenmassen anstellen, um das Aufsteigen des Quellwassers zu bestaunen und dort das weite Wildtier-Schutzgebiet, welches man mit durchwandern oder mit dem Fahrrad durchqueren kann und in dem man nur ein oder zwei einsame Angler antrifft.
Kitch-iti-kipi ist die größte natürliche Quelle in Michigan. Damit sie für die Öffentlichkeit zugänglich bleibt ist sie in einem State Park integriert und dadurch touristisch erschlossen. Auf einem handbetriebenen Beobachtungsfloß können sich die Besucher selber auf dem 91 x 53 Meter großen Teich ziehen und in Fenstern im Boden den türkisfarbenen Quellboden betrachten und bewundern wie 630 Liter pro Sekunde in den Teich strömen bzw. blubbern. Im kristallklaren Quellwasser kann man vorzeitliche Baumstümpfe mit Mineralien verkrusteten Ästen sehen und natürlich auch zahlreiche Fische. Zwar wird auf Tafeln erklärt, dass das Wort Kitch-iti-kipi aus der Ojibwe Sprache kommt, die offensichtlich von den damals hier lebenden Ureinwohnern gesprochen wurde, aber das belehrende Hauptaugenmerk liegt auf John Ira Bellaire, der sich 1920 für das Senkloch mit Quelle interessierte. Der hatte die Weitsicht durch die zurückgelassenen Bäume und Trümmer der Holzfäller hinwegzusehen und die Schönheit des Teiches zu erkennen. Er überzeugte Frank Book, der die müllhinterlassende Firma repräsentierte, dass er das Senkloch und die darum liegenden 90 Acre an den Staat Michigan für einen obligatorischen Preis verkauft mit der Auflage, dass die Quelle für immer als Park der Öffentlichkeit zugänglich sein muss. Sicher hatte er damals nicht erwartet, dass dieser einmal zehntausende von Touristen anzieht und wenn irgendjemand glaubt, dass die momentane globale Pandemie Leute davon abhalten würde hierher zu kommen, dann hat er sich geirrt. Zum Glück waren wir früh genug da und mussten die Quelle nur mit ein paar wenigen Gästen teilen. Die Floßfahrt haben wir dann ausgelassen, um nicht mit zu vielen Menschen auf zu engem Raum sein zu müssen. Dann haben sich auch schon lange Schlangen gebildet, um auf das Floss zu kommen, gerade als wir dabei waren den Park zu verlassen. Zuviel Menschen und wie fast immer einige ohne Masken. Da sind wir lieber weitergefahren. Das ist schon amüsant zu sehen, dass einige sich weigern eine Maske zu tragen, um gegen die Vorschriften zu rebellieren, da sie sich in ihren Rechten beschnitten glauben. Dann ordnen sie sich aber brav in die Schlange ein, warten eine Stunde um auf das Floss zu dürfen und benehmen sich doch wie gehorsame Bürger.
Um die Quelle gibt es zahlreiche Legenden von einem Häuptling, der ums Leben gekommen ist während er seine Liebe zu einer Frau beweisen wollte bis zu der Magie der ewigen Liebe, die man gewinnt, wenn man ein Birkenblatt mit einem Tropfen Honig in die Quelle tunkt und dieses dem oder der Liebsten präsentiert. Die Verbreitung dieser Geschichten wurde von Bellaire so stark betrieben, dass heute nicht mehr klar ist, ob diese wirklich auf Legenden der Ureinwohner zurückzuführen sind oder ob John Ira Bellaire diese Geschichten erfunden hat. Sie erreichten auf jeden Fall was Bellaire beabsichtige und sein Billigwarenhaus in Manistique in Michigan profitierte von dem zunehmenden Touristenstrom.
Nur 80 Kilometer nordöstlich befindet sich das Wildschutzgebiet Seney Wildlife Refuge, welches uns keinen stärkeren Kontrast bieten konnte. Ein einsames Fahrzeug stand auf dem Besucherparkplatz als wir dort angekommen sind, das Besucher-Zentrum war wegen COVID-19 geschlossen und weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Das Schutzgebiet dient als Brutstätte für Wandervögel und andere Wildtiere. Die über 95,000 Acre, die einem heute als Wildnis vorkommt und welches durch weitere Satellitengebiete ergänzt wird ist renaturiertes Land, welches im 20ten Jahrhundert gerodet, abgebrannt, verwahrlost, trockengelegt und kultiviert wurde bis die Menschen erkannt haben, dass das Klima hier zu rau ist, um Ackerbau betreiben zu können.
Heute besteht das Schutzgebiet aus zahlreichen Seen und die Renaturierung ist immer noch im Gange. Eine Ringstraße führt durch einen Teil des Gebietes welche man mit dem Auto durchfahren kann um Wildtiere zu sehen, oder man kann dieses wie wir es getan haben mit dem Fahrrad abfahren und an den Aussichtspunkten anhalten. Eistaucher, Kanadakraniche oder Grauwölfe, die es hier reichlich geben soll haben wir leider keine gesehen. Vermutlich war es nicht die richtige Jahreszeit, aber dafür haben wir reichlich Schmetterlinge zu Gesicht bekommen und nach einer halben Stunde „Jagd“ ist uns auch ein Foto von einem amerikanischen Monarchfalter mit geöffneten Flügeln gelungen.
Während der gesamten Tour haben wir drei Angler getroffen und sind nur von einem Auto überholt worden. Kein Grund eine Maske aufsetzen zu müssen, wunderschöne Natur und Ruhe genossen und aktiv gewesen. Die Ruhe war dann aber vorbei, als wir auf einem Campingplatz halt gemacht haben, der bei Familien sehr beliebt ist und es jeden Abend Fangspiele mit einer Horde Kinder zu erleben gab.
19. Juli 2020 – Klaus