Zeitzonen

Wenn man in Europa aufgewachsen ist, dann ist man nicht allzu vertraut mit Zeitzonen und die Auswirkungen, die diese auf das tägliche Leben haben. Nicht dass man nicht versteht was Zeitzonen sind und warum man diese benötigt, aber die Tatsache, dass andere Regionen andere Zeiten haben und daher Lebensumstände deswegen unterschiedlich sind ist einem nicht in Fleisch und Blut übergegangen. Ein Blick auf eine europäische Zeitzonenkarte erklärt auch warum das so ist. Fast ganz Westeuropa liegt in einer Zeitzone und mit zwei weiteren kann man Osteuropa bis zum asiatischen Raum abdecken. Für den nordamerikanischen Kontinent benötigt man dagegen fünf, dabei ist Hawaii und der westlichste Zipfel von Alaska noch nicht bedacht.

Man ist sich, oder ich war mir auch nicht bewusst welchen Einfluss es auf die Lebensumstände hat in welchem Bereich einer Zeitzone man lebt. Als wir für eine Weile im Westen von Ohio gelebt haben, die westliche Grenze in der Östlichen Zeitzone, hatte ich mich immer gewundert warum ich meinen Morgenlauf immer in totaler Finsternis starten musste, bis mir klar wurde, dass natürlich an der Westgrenze einer Zeitzone die Sonne eine Stunde später aufgeht als an der Ostgrenze der gleichen Zeitzone. Der Morgenlauf in Philadelphia in der Morgendämmerung ist eine Nachtübung im Westen von Ohio.

Zeitzonen sind halt auch nur künstlich gezogene Linien, welche die Realität nur ungenügend widerspiegelt. Während der Sonnenverlauf und die Zeit eher analoge Angelegenheiten sind haben wir die globale Zeitverteilung mit Zeitzonen organisiert und damit digitalisiert. Wie künstlich diese Grenze verläuft wird einem auch in Michigans Upper Peninsula bewusst. Wisconsin und Michigan teilen sich aus irgendeinem Grund diesen Landstrich. Wisconsin liegt in der Zentralen Zeitzone und Michigan in der Östlichen. Klar, dass es da eine Grenzlinie gibt und man sollte ja annehmen, dass der Verlauf auf der Grenze der beiden Staaten liegt, zumal diese durch den Menominee Fluss einer natürlichen Grenze, bestimmt wird. Aber weit gefehlt. Die Grenze der Zeitzonen überschreitet man nicht, wenn man den Fluss überquert, sondern erst wenn man die nördliche Grenze der südlichsten Regierungsbezirke überschreitet. Die südlichsten Regierungsbezirke auf der Halbinsel von Michigan (Gogebic, Iron, Dickinson und Menominee) befinden sich alle in der Zentralen Zeitzone während sich die Restlichen in der Östlichen befinden.

Den Grund für diesen seltsamen Verlauf der Zeitzonengrenze konnte ich nicht voll nachvollziehen, aber Michigan hat eine sehr wechselnde Vergangenheit, wenn es zum Thema Zeitzonen kommt. Standard Zeiten gehen zurück auf die Notwendigkeit der Eisenbahnbetreiber sich auf eine einheitliche Zeit beziehen zu können. Seit 12 Uhr am 18. November 1883 fahren die Züge in Amerika durch fünf Zeitzonen mit einer definierten Standardzeit. Davor hatte jede Gemeinde selbst die Uhrzeit festgelegt. Detroit nutzte damals 05:32:11 westlich von Greenwich. Also wenn es 12 Uhr mittags war in Greenwich, dann war es 6 Uhr, 27 Minuten und 49 Sekunden in Detroit. In Menominee dagegen war es erst 6 Uhr 10.

Michigan und damit Detroit sind 1883 in die Zentrale Zeitzone gefallen und haben diese auch angenommen. Allerdings hat sich in Detroit 1907 ein Club organisiert, der erreichte, dass Detroit 1915 von der Zentralen in die Östliche Zeitzone wechselte. Über die Jahre haben sich dann andere Gemeinden diesem Schritt angeschlossen und 1931 hat das Michigan Parlament die Östliche Zeitzone für den ganzen Staat adaptiert. Die Sommerzeit, wie wir sie heute kennen wurde erst während des ersten Weltkrieges als Kriegszeit eingeführt, zunächst in Europa und dann in den Staaten, um Energie für die Kriegsproduktion freizusetzen. Detroit hat damals in der USA als Beispiel gedient und gezeigt wie eine Zeitverschiebung Energie spart.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die „Kriegszeit“ aufgehoben und jedem Staat überlassen seine eigene Sommerzeit zu bestimmen, was natürlich wieder zu Chaos und einer ähnlichen Situation geführt hat wie vor der Einführung der Standardzeit. 1966 hat dann der amerikanische Kongress eine einheitliche Sommerzeit beschlossen und die einzelnen Staaten hatten nur die Wahl diese zu akzeptieren oder ganz auf die Sommerzeit zu verzichten. Michigans Parlament hat die Sommerzeit zunächst abgelehnt, was auch durch einen Volksentscheid bestätigt wurde. 1972 hat dann ein weiterer Volksentscheid diese Ablehnung wieder abgelehnt und die Sommerzeit wurde wieder, oder zum ersten Mal (ich habe da den Überblick verloren) eingeführt. Die vier Regierungsbezirke Gogebic, Iron, Dickinson und Menominee haben dann beantragt doch in der Zentralen Zeitzone zugeordnet zu sein. Daher verläuft die Zeitzone heute nicht entlang der Landesgrenze, sondern entlang der nördlichen Grenzen der südlichen Regierungsbezirke. Leider konnte ich nicht herausfinden warum die Regierungsbezirke dies beantragt haben. Vielleicht waren die Verantwortlichen es einfach müde Michigans Hin-und-Her zu folgen.

14. Juli 2020 – Klaus