Was mich hin und wieder beeindruckt ist wie nachhaltig mein Umweltschutz Studium war. Das ist jetzt schon 30 Jahre her, aber hat immer noch Bestand. Nicht nur dass die CO2 Krise damals bereits ein Thema war und mögliche Lösungen aufgezeigt wurden, nein auch Verfahrenstechniken und die Einschätzungen deren Umweltverträglichkeit sind immer noch gültig. Die Schlussfolgerungen meines Professors für die Gewinnung von Gold waren einfach und recht unwissenschaftlich. Allein die 20 Tonnen Schutt die produziert werden, um das Gold für einen einfachen Hochzeitsring herstellen zu können sind umwelttechnisch unverantwortlich. Und dann hat man noch nicht einmal angefangen über die Chemikalien oder die Energie zu reden die notwendig sind, um das Gold zu extrahieren oder die Abfallhalden, die danach entsorgt werden müssen, oder die man über Jahrzehnte überwachen muss.
Das Erz, welches häufig unter ein ppm (Teile pro Millionen) Gold enthält wird zerkleinert und mit Natriumzyanid vermischt. Zyanide sind hochgiftige Chemikalien, die in kleinsten Mengen in kürzester Zeit Lebewesen töten können. Der eigentliche Gewinnungsprozess und die anschließende Entsorgung stellen dabei die größten Herausforderungen dar. Man müsste annehmen, dass in der heutigen Zeit und mit den heutigen modernen Anlagen solche Prozesse keine Gefahr mehr darstellen sollten. Da aber der Abbau der Minen und die Gewinnungsprozesse häufig an abgelegten Orten stattfinden und unter ausgesprochen primitiven Verhältnissen, entziehen sich die Betreiber der Öffentlichkeit und damit der Verantwortung. Ähnliches gilt auch für die überbleibenden Alterze, die anschließend gelagert werden müssen. Der Luft ausgesetzt erzeugen diese Schwefelsäure, die wiederum Schwermetalle auflösen und ihren Übergang in Oberflächen- und Grundwasser erleichtert. Man spricht von saurer Minenentwässerung weshalb Golderzdeponien langfristige, hochgefährliche Abfälle sind, die in Ihrer Gefährlichkeit nach den Atommülldeponien an zweiter Stelle stehen. Mein Professor hatte das so zusammengefasst: Wer einmal an einer Gold-Mine oder Gold-Gewinnungsanlage vor Ort war glaubt nicht mehr, dass ein umweltfreundlicher Betrieb möglich ist.
Aber wie gesagt, alles weit weg im Irgendwo.
Um eine solche Goldmine, die Back Forty Mine wurde in den letzten Jahren am Menominee Fluss, der den Grenzverlauf zwischen Michigan und Wisconsin auf der Upper Peninsula markiert, gestritten. Auf der einen Seite Aquila Resources, ein junges Unternehmen, welches verspricht alles ordnungsgemäß zu organisieren und auf der anderen Seite Umweltschützer und der Stamm der Minominee Indians, die die Region so naturbelassen wie möglich erhalten wollen. Die Auseinandersetzung wurde mit den üblichen Argumenten und gegenseitigen Misstrauen geführt. Ähnlich wie bei den Protesten um die Dakota Access Pipeline, die einen Einfluss auf die Ressourcen des Standing Rock Reservates hatte, sind auch hier die kulturellen Befindlichkeiten eines Ureinwohnerstammes betroffen. Bestattungsplätze, religiöse Orte, Gärten und Ortschaften des Stammes der Menominee Indian befinden sich in unmittelbarer Nähe der zukünftigen Mine. Im Gegensatz zu anderen Ureinwohnerstämmen in der USA ist das Reservat dieses Stammes nur wenige Meilen von ihrem ursprünglichen Gebiet entfernt. Das mögliche Zerstören von kulturellem Artefakt würde umso größer wiegen, da diese auf die Gründung des Stammes zurückgehen könnten. Oft helfen diese vergessenes Wissens über den Stamm wiederzuerlangen und um die ausradierte Geschichte des Volkes zu rekonstruieren.
Im Sommer 2018 hat der Minenbetreiber die letzte notwendige Genehmigung von der Regierung von Michigan erhalten und die gerichtlichen Möglichkeiten sind weitgehend ausgeschöpft, so dass dem Bau der Mine eigentlich nichts im Wege steht. Allerdings hat die Krise um COVID-19 auch in der Minenindustrie Opfer gefunden und es wird bezweifelt, dass ein so junges Unternehmen wie Aquila Resources die Vorfinanzierung für eine solche Mine aufbringen kann. Des Weiteren hat Michigans Department für Umweltschutz, die Great Lakes, and Energie (EGLE) den Sicherheitsplan für den Damm, der die Abfälle vom Menominee Fluss abhalten soll als unvollständig zurückgewiesen. Rechtlich kann also der Bau im Moment nicht beginnen, selbst wenn das Unternehmen das Geld aufbringen würde. Der Verweis auf den katastrophalen Dammbruch in Brumadinho in Brasilien im Jahr 2019, den die Gegner der Mine immer wieder als mögliches Szenario anführten wurde bisher im öffentlichen Auge ignoriert. Allerdings nach dem Kollaps zweier Dämme in Midland, Michigan im letzten Jahr erscheint auch dieses Unglück in einem neuen Licht.
Die gescheiterten Edenville- und Sanford-Staudämme waren Wasserrückhaltebecken, gebaut aus Beton und Stahl. Der Back Forty-Tailings-Damm wird aus zerkleinertem Abfallgestein und Abraumboden bestehen. Die Frage wie dieser einem 500-jährigen Hochwasserereignis standhalten kann steht erneut im Raum. Es ist sicher schwer das richtige Gleichgewicht zwischen einer wirtschaftlichen Entwicklung einer strukturschwachen Region, dem Umweltschutz und den kulturellen Bedenken von Einwohnern und Ureinwohnern zu finden. Aber wenn sich die Gewinnung eines Metalls nur lohnt, wenn dabei Umweltbelange ignoriert werden, dann verstehe ich warum auf beiden Seiten Horrorszenarien aufgebaut werden müssen.
Weitere Informationen in Englisch kann man hier finden:
Link: Coalition to Save the Menominee River, Inc.
Link: The Menominee Indian Tribe of Wisconsin
Link: Back Forty Mine
15. Juli 2020 – Author: Klaus